Immer wieder Tom.

Ich bin zurück in den USA. Genauer: In New York City.

Sechs Monate werde ich hier bei den Vereinten Nationen als Praktikant arbeiten, und dank meinem letzten Aufenthalt in diesem Land passieren mir Anfängerfehler nicht mehr. Ich weiß nun beispielsweise, dass ich mit meinem Namen in der englischen Sprache nicht allzu weit komme.

Statt Torben bin ich nun wieder: Tom.

Schwarzes Gold.

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Donnerstag Präsentation. Freitag Statistik-Analyse. Morgen Klausur. Übermorgen Klausur. Freitag Hausarbeit.

Es ist 15.30h, in der Uni-Teeküche treffe ich Nikolaus. Seine Zigaretten-Schlagzahl hat sich in den vergangenen Tagen merklich erhöht. Nun bietet er mir frischen Kaffee an.
„Starken Kaffee“, sagt er.

Ich danke und schenke ein.

Das Gebräu hat eine erdölige Konsistenz und Farbe, der Tassenboden verschwindet sofort. Ein eventueller Kaffeeduft hat sich gekonnt hinter beeindruckenden Röst-Aromen verborgen. Der erste Schluck ist eher ein Biss Koffein und schmeckt apothekenpflichtig.

„Verdammte Axt“, sage ich.
„Jepp“, sagt Nikolaus.

Inzwischen ist es 20.15h, und ich höre seit dem ersten Schluck „The Fever“ von Bonobo in Dauerschleife.
Statistik ist kein Problem. Internationales Recht ist kein Problem. Mikroökonomie ist kein Problem.

Schlafen wird ein Problem.

Frevel.

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Mein Freund David hat seit Kurzem einen Hemd-seriösen Job. Seit Längerem schon hat er außerdem ein grün-pink lackiertes Fahrrad mit bunten Plastiksteinchen in den Speichen, die bei jeder Bewegung beruhigend herumklackern.
Ich mag das.

Heute haben David und ich denselben Heimweg. Der führt in der Regel vorbei an einem riesigen, marmorgefliesten Konsumtempel namens Mall of Berlin, wo man viel Geld für etwas ausgeben kann, was durch hohe Preise wohl zu angesagter Mode wird.

„In der Regel vorbei“ deshalb, weil David heute gut gelaunt auf das große Glasportal zuradelt, durch die Schiebetür fährt und mit seinem Rad fröhlich durch die verbliebenen Einkaufs-Pilger über den Marmor klackert.

Ich lache. Und lache. Und mache noch schnell ein Foto.

Nur die Frau am Info-Stand guckt komisch.

Das wasserlose Urinal.

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Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, blicke ich durch meine offene Zimmertür in den Flur, direkt auf die Toilettentür.
Mitbewohner Hubertus ist gerade dorthin unterwegs, als er sich im Gang zu mir umdreht und mich mit hochgezogenen Augenbrauen anblickt.
Daraufhin verschwindet er aufs Klo.

Vier Minuten später — er hat abgezogen und die Hände gewaschen — verlässt er das Klo wieder, betritt mein Zimmer, greift in die Hosentasche und legt 20 Cent auf einen leeren Brötchenteller vor mir.

„Wofür war das jetzt?“, frage ich.
„Du sitzt da halt wie ’ne Toilettenfrau auf ’nem Autobahnrasthof. 50 Cent hatte ich leider nicht klein.“

Mein Blog.

Verstünde ich mehr von Mode und Fotografie, ich würde wohl darüber schreiben. Stattdessen an dieser Stelle: Kleinigkeiten aus meiner berliner Welt. Aufgrund Zeitmangels leider sehr, sehr unregelmäßig.
Das Impressum gibt’s links.

Noch’n Projekt.

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Dies ist mein schönstes Blog-Foto seit langem — was vor allem daran liegt, dass nicht ich es gemacht habe, sondern Carla. Weil sie noch viel hübschere Fotos macht als dieses, habe ich mit ihr ein Porträt-Projekt auf die Beine gestellt, das derzeit neben Uni und Arbeit meine Zeit frisst.

Ich weiß, das ist eine madige Entschuldigung für mangelnde Torbatschow-Einträge hier, wo derzeit kein Blog zu finden ist, sondern vielmehr mein Berliner Nonsens-Archiv.

Etwas mehr Sens gibt es unter Home from Hertie, wo wir in halbwegiger Regelmäßigkeit Studierende unserer Uni vorstellen.

Und das schlechte Gewissen schafft es hoffentlich bald wieder, schlechte Fotos von mir mit kurzen Texten zu versehen.

Schönschrift.

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Füller ist schöner als Kuli. Da mein einziger Füller aus Schulzeiten stammt und eine viel zu dicke Feder für Postkarten besitzt, gehe ich in den Schreibwarenladen, um sie tauschen zu lassen.
Einfach, denke ich.

„Mit dem hier können Sie das nicht machen“, sagt die Dame im Laden.
„Nein?“, frage ich.
„Ja du liebe Güte, schauen Sie doch mal, wie schmutzig der ist!“, sagt sie. „Ist der überhaupt funktionsfähig?“

Mein Füller ist an der Feder von Tinte etwas blau.

„Gestern hat er noch geschrieben“, sage ich.
„So voller Tinte! Da macht man sich ja beim Feder-Wechsel die Finger schmutzig!“, klagt sie.
„Ich dachte, man macht das mit einer Zange?“, frage ich.
„Ja, aber doch nicht nur!“

Ich bin etwas verdutzt.

„Neinnein, so können wir das auf keinen Fall machen. Sie gehen am besten nach Hause, und legen die Feder über Nacht in Wasser. Alles dreckig. Tz. Haben Sie den Füller stark geschüttelt?“
„Wie bitte?“, frage ich.
„Naja, vielleicht sind sie ja auch vor kurzem geflogen.“
„Geflogen?“ Ich muss lachen.
„Naja, nicht so“, sagt sie und imitiert Flügelschlagen, „sondern so“, und beschreibt den Steigflug eines Flugzeugs. Sie hält mich offensichtlich für einen Idioten.
„Ach?!“, sage ich und bin mir nicht sicher, wer von uns beiden sich grade wirklich lächerlich macht.

„Und für die Kappe nehmen Sie am besten einen Q-Tip und machen sie auch mal vernünftig sauber.“

„Einen Q-Tip. Sicher“, sage ich — und gehe.

Kinder.

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Wir gehen auswärts frühstücken und die Bedienung platziert uns neben der Band: einem alten Mann am Flügel.

In Papas Begleitung tritt ein kleines Mädchen von vielleicht drei Jahren zaghaft-neugierig an das Instrument heran. Der Pianist dreht beiden langsam den Kopf zu und merkt offenbar, dass das Interesse ihm gilt. Dann versucht er sich, ohne in seiner Klavier-Trance nachzulassen, an einem Lächeln. Er ist nicht multitaskingfähig — es sieht ziemlich senil aus.

Pianist und Kind sind offensichtlich mit der Situation überfordert. Papa beugt sich vor: „Sie möchte Ihnen gerne ihr Pferd zeigen.“
Ich schaue dabei zu, wie sich die Botschaft „Pferd zeigen“ auf der Suche nach Sinn ihren Weg durch das Gehirn des alten Mannes bahnt, das derzeit bereits mit „Girl From Ipanema“ relativ überfordert scheint. Die Noten holpern etwas über die Klaviatur, das Lächeln lässt nach, und kommt schließlich mit der Sinn-Findung wieder, dass das Kind ein Pferd auf ihrem Pullover trägt.

Papa beugt sich vor: „Sie heißt Greta. Das Pferd hat keinen Namen.“ Diese Information macht sich nun wieder auf dem Weg durch die Windungen im Kopf des Opas, findet aber keine gute Reaktion. Das Mädchen von Ipanema strauchelt gefährlich.

Ich befürchte kurz, der alte Mann kippe gleich vom Hocker, doch stattdessen stolpert das kleine Mädchen, fällt, und kreischt los. Papa kommt und transportiert Greta ab.

Der alte Mann und das Klavier werden wieder eins, das Mädchen von Ipanema springt flink durch F-Dur. Und ich weiß nun, wie ich meinen Ruhestand verbringen möchte.

Suche.

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Ich gehe zum ersten Mal in meinem Leben in eine Ausländerbehörde.

Sie liegt in Berlin gekonnt platziert—einen Kilometer von jeder Bahnstation entfernt. Auf dem Fußweg passieren die Ausländer und ich im Regen erst ein Kamera-überwachtes Heizkraftwerk von Vattenfall und dann einen Schweißtechnik-Komplex von ThyssenKrupp.
Irgendwo muss man eine Ausländerbehörde eben hinbauen.

Mein Mitbewohner aus Russland sagt, es gebe in Berlin zwei Orte, die er meidet, so gut es eben geht: die russische Botschaft und die Ausländerbehörde.

Ich begleite eine chinesische Kommilitonin, die ihr Visum verlängern muss. Bis sie dran kommt, warten wir vier Stunden. Der Raum sieht exakt so aus, wie man sich ihn vorstellt. Die Büro-Wand der Sachbearbeiterin schmückt ein Foto von zwei Kisten Kartoffeln mit einer Mistgabel.

Ich denke, wie froh ich bin, nicht dauernd im  Warteraum B22 für „Studierende, Wissenschaftler und Sprachschüler aller Länder“ sitzen zu müssen.
Dann gehe ich eine Etage höher in den Warteraum B42. Dort sitzen Armenier bis Vietnamesen sowie „Staatenlose und ungeklärte Staatsangehörige“. Und auf einmal sind Studierenden-Visa absolute Luxusprobleme.